„Ihr seid die Kirsche auf der Torte“

20 Jahre – 20 Menschen: Annette Lenz, Leitung Ehrenamt Familienbegleitender Kinderhospizdienst

Annette Lenz ist (fast) seit Beginn der Stiftung AKM mit dabei. Sie lernte unsere Stifterin Christine Bronner 2005 im Rahmen einer Sterbebegleitung kennen. Kurze Zeit später war Annette, die gelernte Kinderkrankenschwester ist, mit an Bord. Zusammen mit drei Hauptamtlichen und zirka 20 Ehrenamtlichen baute sie die Kinderhospizarbeit in der Stiftung AKM mit auf. 2010 übernahm sie den Bereich Ehrenamt und kümmert sich seither um die komplette Betreuung der Ehrenamtlichen und ihrer Schulung. Heute können wir auf über 220 Ehrenamtliche im Familienbegleitenden Kinderhospizdienst zählen, ohne die unsere Arbeit in und mit den Familien nicht möglich wäre. Wir sprachen mit Annette darüber, was sie von einem Ehrenamtlichen in der Kinderhospizarbeit erwartet, was sie an ihrer Arbeit liebt und mit welchen Herausforderungen sie es zu tun hat.

Liebe Annette, der Begriff Ehrenamtsmanagement klingt etwas sperrig. Was machst du genau?

Annette Lenz: Vereinfacht gesagt bringe ich Menschen, die Hilfe benötigen und Menschen, die Hilfe geben möchten, zusammen. Dabei ist es zunächst wichtig, hineinzuspüren welche Person zur Familie passen könnte und für was oder wen sich die Familie Unterstützung wünscht. Dafür muss ich die Bedürfnisse der Familie kennen, aber auch unsere Ehrenamtlichen, die ja auch alle ihre eigene Geschichte und ihre persönliche Motivation zu helfen, haben. Viele unserer Ehrenamtlichen bringen eine enorme Lebenserfahrung mit, manche haben berufliche Vorerfahrung, manche kommen aus der Erwachsenenhospizarbeit. Jede*r ist individuell und unterschiedlich, genauso wie unsere Familien. Wichtig ist mir aber eine gemeinsame Grundhaltung.

Was macht diese Grundhaltung aus?

Annette Lenz: Ganz grundlegend: Die Freude an der Zusammenarbeit mit Kindern. Außerdem eine sehr hohe soziale Kompetenz und die Fähigkeit, andere Lebensweisen und Wertevorstellungen zu akzeptieren. Unsere Ehrenamtlichen müssen in der Lage sein „das Anderssein des Gegenübers“ anzunehmen. Sie sollen für die Familie da sein, ohne deren Lebenseinstellung verändern zu wollen. Denn: Es geht bei der Arbeit in den Familien nicht um den Ehrenamtlichen, sondern um die Frage: Was braucht diese Familie?

Wir erwarten viel von unseren Ehrenamtlichen. Was können diese im Gegenzug von uns erwarten?

Annette Lenz: Ich sehe meine bzw. unsere Rolle unter anderem darin, die Ehrenamtlichen in ihrem Tun zu unterstützen und ein offenes Ohr für sie zu haben. In der Regel sind sie durch die wöchentlichen Besuche sehr nah an einer Familie und ihrem Schicksal dran. Verschlechtert sich die Situation oder verstirbt ein Familienmitglied, sind auch die Ehrenamtlichen sehr betroffen. Hierbei unterstützen wir sie selbstverständlich. Wir versuchen ihnen stets zu vermitteln: Wir sehen dich, wir wertschätzen deine Arbeit, du bist uns wichtig! Wir möchten eine möglichst gute Bindung herstellen, weil wir uns natürlich auch wünschen, dass sich die Ehrenamtlichen möglichst lange mit ihrer Aufgabe wohl fühlen und bei uns bleiben. Mein Ziel ist es, einen sicheren und klaren Rahmen für die Ehrenamtlichen zu schaffen, in dem sie das Bild mit den Familien selbst gestalten können.

Manchmal hört man Stimmen, die die Hospizarbeit ausschließlich im Ehrenamt verorten, in der Stiftung AKM kommt dem Hauptamt aber eine große Bedeutung zu. Wie siehst du das?

Annette Lenz: Das Besondere an der Kinderhospizarbeit in der Stiftung AKM ist das Zusammenspiel von Haupt- und Ehrenamt. Die Ehrenamtlichen sind als Mensch nah an den Familien dran – als Vertrauensperson haben sie für die Kinder Zeit zum Spielen, Zuhören, Reden, Lachen und traurig sein. Sie sind für die Familien wie die Kirsche auf der Torte: Es geht zwar auch ohne sie, aber mit ihnen ist einfach schöner! Die hauptamtlichen Kinderhospizkräfte begleiten die Eltern und haben dabei das ganze Familiensystem mit den unterschiedlichen Bedürfnissen von jedem Einzelnen im Blick. Sie bieten professionellen menschlichen Beistand, hören zu, halten aus, bleiben dran, fragen nach, helfen ein unterstützendes Netzwerk zu knüpfen, begleiten über Jahre hinweg – je nach Bedarf der einzelnen Familienmitglieder mal weniger und mal sehr intensiv. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Hauptamt, Ehrenamt und Familie empfinde ich als wichtige Basis, um Familien in dieser Ausnahmesituation bedarfsorientiert gut begleiten zu können.

Du bist seit fast 20 Jahren dabei, hast viele Ehrenamtliche kommen und gehen sehen. Wie hat sich das Ehrenamt deiner Meinung nach verändert?

Annette Lenz: Grundsätzlich ist das Interesse an einem Ehrenamt bei uns in München in den letzten Jahren viel größer geworden. Immer mehr Menschen möchten in ihrer Freizeit anderen helfen. Das finde ich eine schöne Entwicklung. Die Interessierten werden immer jünger, in den aktuellen Schulungen sind viele Teilnehmer*innen unter 30. Bei dieser neuen, jungen Generation beeindruckt mich, dass sie sich trotz ihres jungen Alters für diese tiefergehenden Themen interessieren und uns und den Familien ihre freie Zeit schenken. Das Durchschnittsalter der Aktiven liegt dennoch bei zirka 55 Jahren, weil gerade Ältere sich eher längerfristig festlegen, was wir natürlich sehr schätzen. Deren unermüdliche Geduld, sich immer wieder auf neue Situationen und Familien einzulassen, ist einmalig. Wir haben 33 Ehrenamtliche, die schon seit über 10 Jahren aktiv dabei sind!

Gibt es Momente, die dich besonders berühren?

Annette Lenz: Das sind immer die Momente, in denen ich spüre, wie glücklich unsere Ehrenamtliche mit ihrer Aufgabe sind. Wenn beispielsweise eine Ehrenamtliche voller Stolz und Zuneigung erzählt, wie das betreute Kind auf ihrem Arm eingeschlafen ist – was ein enormer Vertrauensbeweis ist. Wenn ein Ehrenamtlicher das Kind jede Woche aufs Neue fragt „Darf ich dich nächste Woche wieder besuchen“ und das Kind strahlend mit „jaaaa“ antwortet. Zudem berühren mich die kreativen Ideen der Ehrenamtlichen, mit dem Kind in Kontakt zu kommen und in Kontakt zu bleiben. Dies zeigt mir, wie wertvoll unsere Arbeit ist. Wir bringen unglaublich tolle Menschen zusammen. Das wird mir auch immer wieder bei unseren Schulungen bewusst. Wir hören oft von den Teilnehmer*innen, dass es eine der besten Schulungen ist, aus der sie für die Tätigkeit aber auch für ihr Privatleben sehr viel lernen und mitnehmen können. Das empfinde ich als große Anerkennung und als Ansporn unsere Arbeit weiterzuentwickeln und stetig zu verbessern.

Wie siehst du die Zukunft des Ehrenamts in der Kinderhospizarbeit und wo liegen deiner Meinung nach aktuell Herausforderungen und dein Wunsch?

Annette Lenz: Ich denke, es ist wichtig, unser Angebot für die Familien niederschwellig zu halten. Natürlich sind unsere Qualitätsstandards hoch und der Kinderschutz hat stets oberste Priorität. Mit der zunehmenden Professionalisierung müssen wir darauf achten, dass unsere Spielräume nicht verloren gehen, die gerade bei der Arbeit mit Kindern sehr wichtig sind. Als Wunsch habe ich, dass wir wieder Räume der Begegnung haben, die zur Stiftung gehören und uns alle besser in Verbindung bringen – also verbindlicheren Kontakt ermöglichen. So könnten wir die ehrenamtlichen Familienbegleiter*innen wieder unkompliziert willkommen heißen, bestenfalls schulen und fortbilden und vor allem persönlichen und vertraulichen Gesprächen im geschützteren Rahmen wieder Raum geben.

Wir haben dieses Gespräch unter deinem Lieblingsbaum geführt. Er steht im Garten vor dem Pfarrheim der Gemeinde Maria Hilf im Herzen Münchens. Was verbindest du mit diesem Baum?

Annette Lenz: Hier fand vor zehn Jahren unsere Gedenkfeier zum 10-jährigen Bestehen der Stiftung AKM statt, bei der die Namen aller Verstorbenen vorgelesen wurden und für jede*n eine Kerze angezündet und unter diesen Baum gestellt wurde. Zusammen mit den Familien, Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen war das ein ganz berührender Moment. In dem Pfarrheim nebenan fanden während Corona unsere Schulungen und Fortbildungen für die Ehrenamtlichen statt. Ich verbinde daher viele schöne Erinnerungen damit. Für mich ist das ein Ort, an dem immer wieder besondere Menschen zusammenkommen. Diese Gemeinschaft trägt mich und macht für mich unsere Arbeit aus.

Danke, liebe Annette, für all die Jahre, die du unsere ehrenamtlichen Familienbegleiter*innen so wunderbar betreust! 

Annette Lenz
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