„Die Stiftung AKM ist eine Langstreckenläuferin“

20 Jahre – 20 Menschen: Christa Stewens, Bayerische Staatsministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin a.D., Mitglied des Stiftungsrates der Stiftung AKM 

Christa Stewens, Bayerische Staatsministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin a.D., ist Mitglied des Stiftungsrates der Stiftung AKM und begleitet die Geschicke der Stiftung seit vielen Jahren. Im Interview spricht sie über die Versäumnisse und die Verantwortung staatlicher Stellen bei der Kinderhospizarbeit, den ersten Anruf von Christine Bronner und darüber, was ihre 24 Enkelkinder mit ihrem Engagement zu tun haben.     

Wann und wie sind Sie zum ersten Mal mit der Kinderhospizarbeit in Berührung gekommen?

Christa Stewens: Die Kinderhospizarbeit hat mich schon lange beschäftigt, da wir in der Erwachsenenhospizarbeit schon wesentlich weiter waren. Als Mutter von sechs Kindern weiß man natürlich auch, dass es im Bereich lebensbedrohlich erkrankter Kinder große Schwierigkeiten in deren Familien gibt. So erhielt ich auch als Abgeordnete immer wieder Hilfeanrufe betroffener Familien. Vor diesem Hintergrund sprach ich zu dieser Zeit mit Alois Glück und Edmund Stoiber. So ist übrigens auch das Kinderhospiz St. Nikolaus in Bad Grönenbach entstanden, das erste Kinderhospiz in Bayern. In meiner Zeit als Sozialministerin rief dann Christine Bronner bei mir im Büro an. Einer meiner Mitarbeiter warnte mich vor ihr mit den Worten: „Wenn Sie das machen, werden Sie die nie mehr los.“ Er sollte Recht behalten. Nach unserem ersten Treffen war ich dann aber schnell überzeugt, dass wir sie und ihre Bemühungen unterstützen müssen.

Wie hat sich Ihr persönliches Bild von der Kinderhospizarbeit seit dieser Zeit verändert?

Christa Stewens: Wenn ich zurückdenke an die Zeit vor 20 Jahren, weiß ich, dass es viele Familien gab, die wir allein gelassen haben, für die es noch keine entsprechende Versorgung gab. Es ist essenziell, dass wir diesen Familien ein umfassendes Hilfsangebot bereitstellen. Damals adressierte man mit der Kinderhospizarbeit im Übrigen auch nicht die gesamte Familie, sondern nur das erkrankte Kind und dessen Eltern. Im Laufe der Arbeit hat sich dann ergeben, dass die Geschwisterkinder und weitere Angehörige in der Familie mit der jeweiligen Situation sehr zu kämpfen hatten. Dieser Blick hat sich geweitet, das ist auch ein Verdienst der Stiftung AKM.

2006 übernahmen Sie die Schirmherrschaft der Stiftung AKM. Wie hat sich die Stiftung Ihres Erachtens in den vergangenen 18 Jahren weiterentwickelt?

Christa Stewens: Die Schirmherrschaft übernahm ich in meinem Amt als Gesundheitsministerin, welche ich dann an Melanie Huml übergab. Ich sah daran eine innere Verpflichtung als Mutter von sechs Kindern und mittlerweile Großmutter von 24 Enkelkindern. Rein aus dieser persönlichen Dankbarkeit heraus wollte ich den betroffenen Familien helfen. Die Stiftung AKM begann mit einfachen Hilfestellungen, Christine Bronner hatte aber auch damals schon viele Ideen und den Traum von einem Haus, wie es nun das Haus ANNA ist. Sie wusste, dass die Hilfestellungen ausgeweitet werden müssen. Für mich war dabei immer wichtig, dass man die Angebote der Stiftung AKM langsam erweitert. Die Stiftung AKM ist schließlich keine 100-Meter-Sprinterin, sondern Langstreckenläuferin. Entsprechend wurden die Ziele anhand der deutlich gewordenen Notwendigkeiten auch immer wieder neu gesteckt.

Welche Rolle spielt dabei der Freistaat Bayern, um Einrichtungen wie die Stiftung AKM zu stärken und besser anzuerkennen?

Christa Stewens: Grundsätzlich bin ich der festen Überzeugung, dass der Freistaat die Einrichtungen der Stiftung AKM stärker finanziell unterstützen müsste. In Gesprächen mit dem Sozialministerium oder den Abgeordneten ist es uns zwar immer wieder gelungen, Gelder wie die Fraktionsreserve der CSU für das Haus ANNA locker zu machen, aber es ist schon immer die elendige Rolle der Bittsteller. Es besteht hier meines Erachtens auch eine gewisse Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Einrichtungen, die beispielsweise im Rahmen einer Regierungserklärung aus der Taufe gehoben wurden.

Andersherum gefragt: Woran mangelt es von politischer Seite womöglich noch, um die Kinderhospizarbeit noch umfassender zu unterstützen? Geht diese Thematik oft im Trubel der Tagespolitik einfach unter?

Christa Stewens: Es gibt für derartige Einrichtungen keine institutionellen Förderungen, das ist das Problem. Darüber hinaus werden die Problematiken von Familien mit schwerstkranken Kindern in unserer Gesellschaft gerne verdrängt. Kinderhospizarbeit wird wie ein Randthema behandelt, obwohl es keines ist. Diese Themen präsenter zu machen, sehe ich allerdings als klare politische Aufgabe, denn die Gespräche mit den Abgeordneten zeigen, dass das Verständnis eigentlich besteht.

Mit der Eröffnung des Haus ANNA Eichendorf im September letzten Jahres wagte die Stiftung AKM den Schritt auf das (teil-)stationäre Terrain. Wie haben Sie den Tag der Eröffnung erlebt und wie schätzen Sie das Projekt allgemein ein?

Christa Stewens: Den Tag der Eröffnung habe ich als beglückend erlebt. Vor allem angesichts dessen, wie sich das gesamte Umfeld des Projekts, der Landrat, der Bürgermeister und verschiedene Bürgerinitiativen eingebracht haben, um Haus ANNA zu verwirklichen. Es war und ist eine tolle Gemeinschaftsarbeit der Region für ein Thema, das nicht immer die Herzen öffnet, sondern häufig eine Abschottungstendenz bei den Menschen hervorruft. Aber auch die Feier zur Eröffnung von Haus ANNA Eichendorf fand ich entsprechend gut gestaltet.

Bis zu Ihrem Ausscheiden als Kuratoriumsmitglied Ende des vergangenen Jahres setzten Sie sich im Kuratorium der Stiftung AKM für die Belange der Kinderhospizarbeit ein. Wie nehmen Sie die Rolle von Kuratorium und Stiftungsrat wahr? Für Außenstehende ist ein Kuratorium schließlich ein eher abstraktes Organ.

Christa Stewens: Der Stiftungsrat fungiert als Aufsichtsrat, der Finanzen und Vorhaben, Leistbares und die Wünsche von Christine Bronner, gegenüberstellt. Entsprechend hat der Stiftungsrat auch die Aufgabe, gewisse Ideen aufgrund ihrer fehlenden Finanzierungsgrundlage abzulehnen. Das Kuratorium wiederum berät hinsichtlich der Notwendigkeiten zur umfassenden Versorgung betroffener Familien, ebenso wie Familie Bronner und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung AKM. Die Zusammenarbeit im Kuratorium habe ich dabei stets als sehr harmonisch wahrgenommen. So sitzen dort zum Beispiel mit Frau Dr. Bühren die entsprechenden Fachleute, die die Notwendigkeiten auch abstecken können. Im Stiftungsrat bestand unsere Aufgabe natürlich darin, einzuordnen, was geht und was eben nicht geht. Herr Peter übernahm dabei zumeist zusammen mit Christine Bronner die Verhandlungen mit den Kassen. Ich wiederum lud zu Gesprächsrunden im politischen Sinne.

2024 feiert die Stiftung AKM ihr zwanzigjähriges Bestehen. Was wünschen Sie der Stiftung für die Zukunft?

Christa Stewens: Ich wünsche der Stiftung für die Zukunft eine solide Finanzierung und die Verwirklichung ihrer Vorhaben. Ich wünsche mir für jene Regionen in Bayern, speziell in Ober-, Niederbayern und der Oberpfalz, die noch nicht mit ambulanter, teilstationärer und stationärer Kinderhospizarbeit versorgt sind, schließlich eine angemessene Abdeckung.

Herzlichen Dank, liebe Frau Stewens, für die jahrelange engagierte Unterstützung!

Christa Stewens
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