Was macht die Kinderhospizarbeit aus?
Fällt in Gesprächen das Wort „Hospiz“ steht meist gleich ein riesiges Monster im Raum. Ein Monster, das die Namen „Tod“, „Ende“ oder „Sterben“ trägt. Auch die Kinderhospizarbeit kämpft seit ihrem Entstehen mit diesem Stigma, dabei steht im Mittelpunkt der Arbeit mit schwersterkrankten Kindern eine aktive Lebensbegleitung. Dennoch lässt der Begriff „Hospiz“ noch immer viele Familien davor zurückschrecken, die Hilfe eines Kinderhospizdienstes wie des unseren in Anspruch zu nehmen. Grund genug, sich anlässlich des heutigen Tags der Kinderhospizarbeit den Unterschied einmal genauer anzuschauen.
Eine neue Kollegin, viele Fragen
Winter 2020 – Angelika Logothetis ist aufgeregt. Sie ist bei uns zum Vorstellungsgespräch eingeladen – als Fachkraft für ambulante Kinderhospizarbeit. Durch ihre bisherige berufliche Laufbahn kannte sie bis dato nur die Hospizarbeit für Erwachsene. „Als ich in meinem Freundeskreis über die Einladung zu dem Vorstellungsgespräch erzählt habe, reagierte mein Gegenüber jedes Mal sehr betroffen oder sogar schockiert. Sogar Tränen sind geflossen bei der Vorstellung, selbst einmal auf eine solche Unterstützung innerhalb der Familie angewiesen zu sein, denn das bedeute ja – in der weit verbreiteten Vorstellung vieler – den bevorstehenden Tod des eigenen Kindes“, erzählt sie.
Wen wir wie begleiten
Während des Vorstellungsgesprächs kann Angelika viele offene Fragen klären. „Wir begleiten Kinder und Eltern bereits ab Diagnose von lebensbedrohlichen oder lebensverkürzenden Erkrankungen“, erklärt ihr Anna Becker, die Leiterin unseres Zentrums Südwestoberbayern. „Lebensbedrohlich beinhaltet, dass ein Kind nach seiner Erkrankung auch wieder vollkommen genesen kann, wie beispielsweise bei Leukämie. Der Weg durch solch eine Krankheit geht aber in jedem Fall durch Höhen und Tiefen. Auf diesem Weg begleiten wir die Familien“, so Anna Becker.
Die Begleitung der Familien findet teils über Jahre statt. „Gemäß unserem Leitmotiv: Nicht das Leben mit Tagen, sondern die Tage mit Leben füllen, unterstützt ein multiprofessionelles Team aus Fachkräften für Kinderhospizarbeit, Psychologen und ehrenamtlichen Familienbegleitern Eltern und Kinder dabei, den anstrengenden und kräftezerrenden Weg zu meistern und dabei auch das Lachen nicht zu vergessen“, erzählt Anna.
Unterstützung in ganz Bayern
Von unseren ambulanten Versorgungszentren aus, die sich an vier Standorten im Großraum München, Niederbayern, Südwestoberbayern und Südostoberbayern befinden, betreut unser Team betroffene Familien konzeptionell forschend und beratend in ganz Bayern und darüber hinaus. Wir helfen individuell und schnell, wo Hilfe im Alltag nötig ist und unterstützen beispielsweise bei Anträgen bei der Krankenkasse, Behördengängen, organisieren finanzielle Unterstützung oder beraten psychologisch.
Zudem stehen geschulte Ehrenamtliche den Erkrankten aber auch ihren Geschwistern und Eltern liebevoll zur Seite. Dabei erfüllen wir auch sogenannte Herzenswünsche, wie zum Beispiel einmal im Leben mit einer Feuerwehr-Drehleiter zu fahren. „Bei uns wird viel gelacht – im Team und mit den Familien. Lebensfreude und Humor helfen uns, auch mit schwierigen Situationen besser klarzukommen,“ beschreibt Anna Becker die Arbeitsatmosphäre.
Unsere Kolleginnen und Kollegen suchen die Familien entweder zu Hause oder in der jeweiligen Klinik auf, um sie individuell zu begleiten. „Die traurigsten Momente unserer Arbeit sind die, wenn ein Kind verstirbt“, sagt Anna Becker. Auch über den Tod hinaus unterstützen wir die Eltern in ihrer Trauerarbeit.
Hemmschwellen abbauen
Angelika Logothetis hat nach ihrem Gespräch einen guten Einblick in die umfangreiche und lebensbejahende Arbeit des AKM bekommen. „Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Eltern erstmal abgeschreckt sind, wenn sie durch Ärzte oder Soziale Dienste von der Stiftung Ambulantes Kinderhospiz erfahren und den Namen hören. Gerade deshalb ist es wichtig, aufzuklären und Hemmschwellen abzubauen,“ sagt sie.
Kinderhospizarbeit in Coronazeiten
Wenige Tage nach ihrem Vorstellungsgespräch erhält Angelika die Zusage und freut sich sehr. Anfang Januar 2021 hat sie ihren ersten Arbeitstag bei uns – inmitten der Corona-Pandemie. Die Einarbeitung ist daher alles andere als leicht – für alle Beteiligten. Kinderhospizarbeit lebt von Nähe, Berührungen, und dem Gefühl, für den anderen da zu sein. All das ist schwierig in Zeiten von weitreichenden Kontakt- und Berührungsbeschränkungen. Doch wir haben schnell reagiert, notwendige Schutzausrüstung besorgt und unsere Arbeit individuell auf die jeweilige Familiensituation angepasst, damit wir auch jetzt niemanden alleine lassen müssen. Beratungsgespräche finden zum Beispiel vermehrt während eines Spaziergangs an der frischen Luft statt, Beschäftigungsideen für die Kinder werden via Newsletter verschickt. Wir sind auch weiterhin für unsere Familien da – und an ihrer Seite!
Über die Kinderhospizbewegung
In Deutschland etablierte sich die Kinderhospizbewegung Anfang der 1990er Jahre – zunächst im Norden und der Mitte Deutschlands. Sechs Elternpaare mit lebensverkürzend erkrankten Kindern schlossen sich zusammen und gründeten den Deutschen Kinderhospizverein. Ziel und Zweck des Vereins war, auf die Bedürfnisse und Interessen von betroffenen Familien aufmerksam zu machen sowie der Aufbau eines stationären Kinderhospizes. So konnte 1998 das erste deutsche Kinderhospiz „Balthasar“ in Olpe eröffnet werden. Ein Jahr später wurde in Kirchheim/Teck ein erster ambulanter Kinderhospizdienst gegründet. Mit der Stiftung AKM etablierte sich die Kinderhospizbewegung ab 2004 auch im Süden Deutschlands. Derzeit existieren in Deutschland 20 stationäre Kinder- und Jugendhospize sowie ca. 85 ambulante Kinderhospizdienste.