Sternenkinder: Wenn das Leben endet, bevor es richtig beginnt
Babys, die vor, während oder kurz nach der Geburt versterben, nennt man Sternenkinder. Erfahren Eltern vor oder während der Geburt ihres Kindes, dass es schwerst lebensbedrohlich erkrankt ist oder versterben wird/bereits verstorben ist, dreht sich die Welt auf den Kopf. Die von Hoffnung und Vorfreude erfüllte Zeit erfährt ein abruptes Ende. Von der einen auf die andere Minute ist alles anders für sie. Denn der Verlust eines Kindes durch eine Fehlgeburt, Todgeburt oder durch einen frühen Kindstod ist für die Eltern einschneidend. Er wirft viele Fragen auf, löst Gefühle und Emotionen aus und ist oft nur schwer alleine für die Eltern zu bewältigen.
In schwersten Momenten wie diesen können die Kliniken unsere RUF24-Krisenbegleiter*innen hinzurufen, um das werdende Elternpaar zu entlasten, ihnen ein offenes Ohr zu schenken und sie dabei zu unterstützen, den Abschied vom un-/neugeborenen Kind zu gestalten. Wie das konkret aussieht, möchten wir im Folgenden gerne zeigen.
Im Hintergrund: Ein Anruf bei unserem Kriseninterventionsdienst RUF24
An einem Samstagmorgen Anfang 2021 erhielt unser Krisendienst RUF24 einen Anruf von einer Münchner Klinik mit der Bitte, ein Paar zu unterstützen, deren ungeborenes Kind im Mutterleib verstorben war. Bis zu diesem Moment hatte keines der beiden Elternteile damit gerechnet, dass das Baby es einmal nicht in die Welt schaffen würde. Die Schwangerschaft verlief unauffällig. Umso schwieriger war es für das Paar, mit all seinen Gefühlen umzugehen, und die Situation zu begreifen.
Unser diensthabender ehrenamtlicher Krisenbegleiter fuhr nach Absprache mit seinem Hintergrunddienst (das ist ein*e Psychologe*in, der die Krisenbegleiter*innen telefonisch unterstützend begleitet) sofort in die Klinik, um die Eltern in dieser Ausnahmesituation zu begleiten.
Da sein und stärken
Geschieht so etwas, sind wir mit viel Einfühlungsvermögen für die Eltern da. Wir schenken ihnen Ruhe und Verständnis, geben ihnen Sicherheit und bewahren gleichzeitig den Blick für die Dinge, die die sie aufgrund des Kindstodes in den nächsten Tagen und Wochen erwarten und bewältigen müssen.
Dabei stärken wir die Eltern vor allem als Paar, sodass sie die schwierige Zeit gemeinsam durchstehen können. Das ist unglaublich wichtig, denn der Tod des eigenen Kindes löst oft extreme Gefühle bei Mutter und Vater aus. In solch einer Zeit bedarf es viel Verständnis füreinander.
Ängste und Sorgen nehmen
Ist das verstorbene Kind noch nicht geboren, sprechen wir mit den Eltern über ihre Ängste, die die bevorstehende Entbindung bei ihnen auslöst – wir lassen sie damit nicht allein.
Gleichzeitig besprechen wir mit ihnen die Verabschiedung von ihrem Sternenkind, welche Möglichkeiten es gibt, und nehmen ihre Wünsche und Vorstellungen wahr. Dabei berücksichtigen wir immer die Verfassung der Eltern und inwieweit sie selbst schon bereit dazu sind, sich damit auseinanderzusetzen. Hier braucht es viel Feingefühl und ein offenes Ohr für all die Sorgen und Ängste, die die Eltern mit sich tragen.
Zuhören …
Vielen Eltern hilft es, über ihr Kind und die Schwangerschaft zu sprechen – und wir hören zu! Sie erzählen uns von gemeinsamen Erinnerungen an die Schwangerschaft, Arztbesuchen und die Pläne, die sie mit dem Nachwuchs hatten. Dadurch geben sie dem verstorbenen Kind einen Platz. Manche verraten uns den Namen des Kindes – bei anderen fragen wir vorsichtig nach. Dabei gilt für uns immer, dass die Eltern von sich aus über das Kind erzählen wollen, nicht umgekehrt.
… und gemeinsam Fragen klären
Bei der Klärung medizinischer Fragen und der Ursachen für den Tod des Kindes holen wir auch die Hebamme oder Ärzte hinzu, die den Familien von fachlicher Seite die Fragen beantworten und klären. Das kann dem Paar ein Gefühl von Sicherheit und Kontrolle über die neue Situation geben.
Zudem ist es nach einem solchen Erlebnis wichtig, auch das soziale Umfeld mit in das Geschehene einzubeziehen. Dazu besprechen wir mit dem Paar, was ihm guttun würde und von wem aus dem Familien- und Freundeskreis sie sich gerade jetzt Unterstützung wünschen würden. Welchen Raum darf das verstorbene Kind hier bekommen, und wie kann man der Familie die Gelegenheit geben, in Beziehung mit dem Kind zu kommen? Solche Fragen spielen u. a. eine Rolle in den Gesprächen mit den Eltern. Auch, damit der Tod des verstorbenen Kindes nicht zum Tabuthema im gemeinsamen sozialen Umfeld wird.
Ein dauerhafter Platz für das Sternenkind
Neben all diesen Themen müssen sich die Eltern recht schnell auch damit auseinandersetzen, was mit ihrem Sternenkind passiert. Soll es auf einem Sternenfeld beerdigt werden, einem besonderen Platz auf einem Friedhof, an dem viele andere Sternenkinder ihre Ruhe finden? Oder gibt es ein Familiengrab, in dem das Baby beigesetzt werden soll? Diese Entscheidung treffen die Eltern, doch auch hierbei stehen wir ihnen mit unserem Rat zur Seite und unterstützen im Rahmen unserer Therapeutischen Kurzintervention/Kinderhospizarbeit im Anschluss bei der Organisation.
Über RUF24
Der Kriseninterventionsnotruf RUF24 der Stiftung AKM begleitet Familien in akuten Krisensituationen ab der Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung eines Familienmitglieds. Zur Zielgruppe der Stiftung gehören neben Kindern, jungen Erwachsenen und Eltern minderjähriger Kinder auch ungeborene Kinder ab der 18. Schwangerschaftswoche. Die haupt- und ehrenamtlichen Krisenbegleiter*innen sind innerhalb von 1-2 Stunden vor Ort und können für die Betroffenen da sein, eine Stütze bieten, bis sie wieder alleine stehen und weitergehen können. In den Folgetagen nach dem Erstkontakt ist eine Weiterbegleitung durch (psychologische) Fachkräfte aus dem Krisendienst oder eine Anbindung an die anderen Fachbereiche der Stiftung AKM möglich.