Sterben, Verlust, Trauer: Keine Tabuthemen für Kinder und Jugendliche
Sandra Gassert ist Pfarrerin und in vielen Bereichen tätig. Als Seelsorgerin in ihrer Gemeinde und in der Stiftung AKM, als Notfallmanagerin (wo immer sie gebraucht wird) und auch als Religionslehrerin. Wie Eltern ihre Kinder nach dem Tod eines geliebten Menschen unterstützen und mit einbinden können, erzählt sie heute. Denn das Thema Tod sollte kein Tabuthema sein.
Offene Annäherung an das Thema Tod
„Immer wieder, wenn ich in der Grundschule das Thema Tod behandle, melden sich Eltern, um mir zu sagen, dass dies wohl kein Thema für Kinder sei. Ich wünschte es wäre so. Ich verstehe, dass Eltern ihre Kinder beschützen und Schweres von ihnen fernhalten wollen… und doch kann niemand sein Kind vor Verlust und Trauer bewahren. Beides ist Teil unseres Lebens, dem wir oft schneller begegnen als uns lieb ist – und beides kann besser verarbeitet werden, wenn das Thema Tod nicht tabuisiert wird.
Kinder sind in erster Linie neugierig. Sie sollten sich diesem Thema ganz offen nähern. Dazu gibt es auch gute Literatur und/oder Filme. Den Umgang mit Trauer kann man üben, zum Beispiel im Miterleben bei fiktiven Gestalten oder auch durch den Tod eines Haustiers. Wichtig ist auch, dass der Abschied im Ernstfall gut gestaltet wird.
Vorab: Abschied nehmen und trauern braucht beides Zeit. Viel Zeit. Es gibt keine Abkürzungen auf diesem Weg“, so Sandra Gassert.
Was dabei helfen kann
„Hilfreich beim Abschied nehmen und der Trauerbewältigung ist unter anderem, dass die Kinder mitgestalten dürfen – etwa beim Sarg aussuchen und bemalen, beim Grab bepflanzen, beim Entwerfen der Trauerkarte oder beim Basteln von Grabbeigaben. Auch eine schöne Trauerfeier hilft. Daneben ist es besonders wichtig, mit den Kindern zu reden – das können neben den Angehörigen und Freund*innen auch Lehrer*innen oder Erzieher*innen sein. Gleichzeitig sollten die Kinder ihre Emotionen zulassen dürfen, und zwar so, wie sie kommen. Auch Zorn gehört zum Beispiel dazu.
Neben viel Aufmerksamkeit und Zuneigung hilft es außerdem, eigene Rituale zu entwickeln – zum Beispiel eine Kerze anzünden, Fotos ansehen oder ein Erinnerungsbuch gestalten.
Auch sollte das soziale Netz einbezogen werden – dabei hilft es vielleicht zu wissen, dass Jugendliche lieber mit Gleichaltrigen und den neuen Medien trauern. Aber egal, ob Kind oder Jugendliche*r, auch Momente der Unbeschwertheit sollten unbedingt Platz finden – und diese dürfen sie auch genießen! Generell sollte alles Platz haben, was ihnen guttut.“
Wir gehen mit
„Unser Psycholog*innen-Team in der Stiftung und auch ich als Seelsorgerin stehen Eltern und ihren Kindern gern zur Seite, wenn sie Rat, Hilfe, oder Anregungen brauchen. Wir können den Trauerweg nicht für sie gehen. Aber wir gehen mit.“
Sandra Gassert, Pfarrerin – im September 2021