Alicia verliert nie den Mut
Bis zur 20 Schwangerschaftswoche hatte ich eine unbekümmerte Schwangerschaft. Dann erfuhren wir von einer Cyste (flüssigkeitsgefüllter Raum im Gewebe) im Kopf unserer Tochter, die durch den Ultraschall erkannt wurde, und von einem Loch im Herzen. Die Ärzte sagten uns, dass diese Kombination in der Regel noch mehr verbirgt. Von da an waren wir natürlich sehr besorgt. Unsere kleine Alicia ist dann etwa fünf Wochen zu früh zur Welt gekommen, was ebenso ein riesiger Schreck für uns war. Wir mussten zehn Tage mit ihr in der Klinik bleiben, bevor wir nach Hause durften. Nach der Geburt war allerdings nichts mehr zu sehen von einer Cyste im Kopf und das Loch im Herzen war nach einem Jahr zugewachsen. Dennoch waren wir immer sensibel für Veränderungen und warfen ein besonders geschärftes Auge auf unser Kind.
Entwicklungen klein, Lebensfreude umso größer
Die ersten drei Lebensmonate weinte Alicia dann sehr viel, ließ sich schlecht beruhigen, und wir konnten den Grund dafür nicht zuordnen. Das Trinken war von Beginn an schwierig, doch wir bekamen es hin, das Kind entwickelte sich gut. Als sich herausstellte, dass das Zungenbändchen von Alicia zu kurz war und durchtrennt werden musste, hatte sie ihren ersten Eingriff, der Wirkung zeigte. Ab diesem Moment wurde es besser mit der Ernährung, aber niemals richtig gut. Mit der Zeit wurde sie zu einem sehr fröhlichen Kind. Sie hatte viel gegrinst und gelacht. Dennoch merkte man in der Entwicklung von Alicia, dass sie verzögert war. Viele Dinge, die Kinder in ihrem Alter bereits konnten, konnte Alicia nicht. Uns wurde bald klar, dass sie vieles davon auch niemals können wird. Zu Beginn war es natürlich leichter zu ertragen. Alle Kinder können nach der Geburt gleich viel oder gleich wenig. Doch mit den Jahren schmerzte es immer mehr, zu sehen, dass mittlerweile selbst jüngere Kinder ihre Fähigkeiten überholten. Dabei ist Alicia wie ein kleiner Schwamm, sie saugt alles in sich auf. Sie will sich bewegen und nach Dingen greifen, sie interessiert sich sehr für ihr Umfeld und versucht mit aller Kraft, ihre kleinen Ziele zu erreichen. Leider macht der Körper ihr oftmals einen Strich durch die Rechnung, was sie manchmal sehr frustriert. Allerdings findet sie genauso schnell wieder Spaß an den Dingen im Leben, die sie kann, und liebt es, wenn man sich mit ihr beschäftigt. Trotz all dieser Gewissheit ist sie eben eine kleine lustige und wirblige Maus.
Keine Besserung in Sicht
In der Folge ihrer Erkrankungen kamen immer mehr Arztbesuche dazu, die bis heute anhalten. Im Krankenhaus waren wir auch ein paar Mal, überwiegend zur Esstherapie, da sich das nie wirklich verbessert hat. Aber auch weitere Diagnostik muss regelmäßig abgeklärt werden. So hat Alicia mit der Zeit Probleme mit ihren Augen bekommen und man weiß nicht, wie gut sie hören kann. Im März 2019 fing unsere Tochter leider an zu Krampfen. Wir wussten zwar schon, dass dieses Risiko besteht, aber waren dann natürlich doch sehr erschrocken. Ich hörte, wie Alicia mitten in der Nacht Geräusche machte, und schaute nach ihr. Sie war im Krampfzustand und ich rief sofort den Notarzt. Dieser flog uns dann mit dem Helikopter ins Krankenhaus nach München. Zu dieser Zeit hatte sie mit dem Krampfen aufgehört, musste in der Klinik dann aber auf langfristige Medikamente eingestellt werden.
Alicia ist trotz ihres Schicksals eine so fröhliche Bereicherung, sie mag sehr gerne Musik und liebt das Wasser. Dieses Jahr waren wir mit ihr im Urlaub, wo sie mit einer Schwimmhilfe um den Hals im Wasser planschen konnte. Das hat sie wahnsinnig genossen und entspannt. Wir geben unserer Tochter viel Ansprache durch Bücher, Bilder und Musik. Wir sehen, dass es ihr sehr gut tut, auch wenn es manchmal schwerfällt zu erkennen, was sie braucht.
Unterstützung durch das AKM
Nachdem dann die damaligen Krankenhausaufenthalte überstanden waren, wurden wir an das AKM angebunden. Wir bekamen hier aus mehreren professionellen Bereichen Unterstützung. Ein Bereich davon ist die Angehörigenberatung. Mit ihr zusammen haben wir unsere Möglichkeiten zur Pflege und Unterstützung zu Hause erfahren. Nachdem wir einen Pflegegrad für Alicia beantragt und genehmigt bekamen, konnten wir weitere Rechtsansprüche klären. Als uns einige Ansprüche verwehrt blieben, hat uns die Angehörigenberatung weiter begleitet. Und auch heute noch versucht sie mit uns die Rechte zu erwirken, die uns laut dem Gesetz zustehen, und herauszufinden, welche Möglichkeiten der Landkreis zur Entlastung für uns bietet.
Achtsam
Durch die Sorge um das Kind und die intensive Zeit, die das Kind in Anspruch nimmt, achtet man tatsächlich etwas zu wenig auf sich selbst. Hierbei begrenzt sich die Zeit nicht nur auf Arztbesuche oder Therapieeinheiten, generell ist man sehr wachsam und schaut auf die Bedürfnisse des Kindes, welche teilweise schwer zu erkennen sind. Wir sind also achtsam mit unserem Kind, aber man darf auch sich selbst nicht außer Acht lassen und muss seine eigenen Bedürfnisse wahrnehmen.
Kraftvoll
Alicia ist kraftvoll. Sie weiß sehr gut, was sie will, und fordert auf ihre Weise ihre Bedürfnisse ein. In ihrer Mimik und Art, wie sie mit uns kommuniziert, ist sie nicht immer leicht zu verstehen, jedoch sehr kraftvoll und energisch, auch wenn ihr unsere Sprache fehlt.
Mutig
Trotz ihrer Einschränkungen hat Alicia niemals den Mut verloren, neue Dinge auszuprobieren und zu versuchen. Sie hat einen sehr starken Willen und zeigt keine Angst. Zum Beispiel übt sie immer wieder in ihrer eigenen Geschwindigkeit zu sitzen, Körperspannung gezielt zu halten, oder nach etwas zu greifen. Wenn etwas klappt, grinst sie bis über beide Ohren und freut sich. Auch wenn es zuvor viele Male nicht geklappt hat, gibt sie nie auf und probiert es jeden Tag aufs Neue. Das bedeutet es in unseren Augen, richtig mutig zu sein.
(Familie Gonzales Rodriguez)