Prognosen haben mich noch nie interessiert, ich mach mein Ding
Mein Name ist Katharina, ich bin 8 ½ Jahre alt und lebe mit meinen Eltern Henry (49) und Yvonne (46) im Landkreis Erding. Bei meiner Geburt habe ich eine ganze Reihe gewaltiger Probleme mit auf den Weg bekommen. Ich habe einen seltenen Gendefekt, eine Miller-Dieker-Lissenzephalie und ein West-Syndrom, also eine therapieresistente Epilepsie. Ich bin hör- und sehbehindert, immobil, habe keine nennenswerten motorischen Fähigkeiten und werde aufgrund meiner Schluckstörung über eine Sonde ernährt. Mami und Papi weigern sich allerdings, mich mit klassischer Sondenkost zu ernähren. So werde ich wenigstens mit frisch gekochtem Essen versorgt.
15 Jahre AKM – und seit fast der Hälfte sind wir dabei
Unsere Familie wird seit vielen Jahren vom AKM betreut, worüber wir alle sehr dankbar sind. Ich hatte schon zwei Mal das Glück, richtig große Herzenswünsche erfüllt zu bekommen. Zu meinem sechsten Geburtstag durfte ich meinen bislang genutzten Laufstall gegen eine eigens vom Schreiner für mich angefertigte „Wohlfühloase“ eintauschen, die von einem freundlichen Spender übers AKM finanziert wurde. Diese Oase ist eine Art Tagesbett für mich. Sie steht im Wohnzimmer und bietet mir viel Abwechslung. Sie hat Lichterketten, ein Tablet und einen Beamer zum Schauen, eine Musikanlage zum Hören, viele Spielsachen und Hilfsmittel zum Greifen und Fühlen, eine Duftlampe zum Riechen und natürlich mein geliebtes Elfen-Mobile, das mich schon seit meiner Geburt beruhigt.
Letztes Jahr habe ich als verspätetes Weihnachtsgeschenk einen tollen P Pod aus England bekommen. Das ist ein Sitzsack mit Sitzschale, der es mir ermöglicht, mal richtig gemütlich zu lümmeln. Weil er so leicht ist, können Mami und Papi den auch mal im Haus auf verschiedene Etagen tragen oder raus auf die Terrasse nehmen, sodass ich bequem überall dabei sein kann.
Außerdem haben wir das Glück, wieder einen Familienhelfer vom AKM bekommen zu haben. Das ist eine wunderbare Abwechslung für Mami und Papi und ich komme so zu ganz fantastischen Spaziergängen, die mache ich nämlich sehr gerne.
Viele Höhen, viele Tiefen
Wir hatten schon einige Höhen und Tiefen zu überstehen. Die letzte Krise steht mir leider noch buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Ich bin während eines epileptischen Anfalls aus dem Bett gefallen und habe mir eine gewaltige Kopfverletzung zugezogen. Das war ein Schock, nicht nur für mich, sondern auch für meine Eltern. Vor allem für die Mami, weil die mit mir im Zimmer war und das nicht verhindern konnte. Zum Glück hab ich einen harten Schädel. Es war nichts gebrochen und so konnte ich nach drei Tagen Überwachung im Krankenhaus wieder mit nach Hause kommen. Da hatten wir schon längere und fürchterlichere Aufenthalte zu überstehen in den letzten acht Jahren.
Erstaunlich ist für viele Menschen allerdings, dass wir überhaupt über so eine lange Zeit hier so gut durchhalten. Eigentlich hatte man mir nur zwei bis drei Jahre gegeben und das ohne nennenswerte Fähigkeiten. Aber Prognosen haben mich noch nie interessiert, ich mach mein Ding.
Achtsam
Mami und Papi haben gelernt, achtsam zu werden. Wenn jeder Tag der letzte sein könnte, lernt man schnell, auch Kleinigkeiten zu schätzen. Achtsam muss jeder sein, der mit mir zu tun hat, denn leider kann ich nicht für alle verständlich mitteilen, was ich brauche und was mich bewegt. So müssen alle achtsam auf mich hören und schauen, um mich gut zu verstehen.
Kraftvoll
Wesentlich kraftvoller als vermutet bin ich geworden. Ich kann schon mal an Haaren, Stethoskopen oder dem Schlauch vom Inhaliergerät ziehen, obwohl ich nach Aussage der Pränataldiagnostikerin eigentlich keinen Muskeltonus haben sollte.
Kraftvoll mussten Mami und Papi in den letzten Wochen auch mal aufs Gaspedal drücken, um meine Omas und Opas – also ihre eigenen Eltern – zu unterstützen. Die wohnen nämlich jeder über 300 Kilometer weit weg und hatten in den letzten Wochen und Monaten ebenfalls einige, teils akute gesundheitliche Probleme, an der Backe. Außer Mami und Papi ist dort leider niemand, der da hätte unterstützen können. So musste irgendwie ausgeklügelt werden, wer wann wie und wo wem hilft und wer in der Zwischenzeit dann bei mir ist, denn ich bin nun mal ein 24-Stunden-Job und in den Ferien auch immer daheim.
Mutig
Schon vor meiner Geburt hat man meinen Eltern attestiert, dass sie mutig sind, sich überhaupt für mich zu entscheiden. Dabei stand es für Mami und Papi immer außer Frage, dass ich selber entscheide, wie es mit mir weiter geht. Mutig musste ich sein, als ich nach meinem Sturz die ersten Male wieder auf dem Bett lag und gespürt habe, dass ein Anfall kommt. Da hatte ich schon mächtig Angst, dass es wieder so schlimm weh tun könnte, wie an dem Tag, als ich abgestürzt bin. Aber auch das habe ich überwunden. Mami musste mutig sein, als sich die Kruste von meiner Wunde gelöst hatte und sie zu ersten Mal gesehen hat, wie es drunter aussieht. Und mutig muss ich immer dann sein, wenn ich etwas Neues oder Ungewohntes ausprobieren soll.
Aber gemeinsam schaffen wir bislang eigentlich immer alles irgendwie.
(Yvonne und Henry Dinger)