Hand in Hand arbeiten in der Stiftung AKM

Hand in Hand arbeiten in der Stiftung AKM

Ein Beispiel aus dem Zentrum Niederbayern

 

Ab der Diagnose einer schweren oder unheilbaren Krankheit bei einem Kind oder Elternteil reichen wir betroffenen Familien die Hand. Wir sind für sie da und unterstützen sie dort, wo sie Hilfe benötigen. Und auch in unserer Stiftung gehen wir Hand in Hand und arbeiten fachbereichsübergreifend. Denn in den meisten Fällen ist nicht nur ein Fachbereich bei der Begleitung einer Familie involviert. Wie das aussehen kann, zeigen wir heute anhand eines fiktiven Beispiels aus unserem Zentrum Niederbayern mit Bunter Kreis Landshut, dessen Team aus sechs Kolleg*innen aus unseren verschiedenen Fachbereichen besteht.

Kennenlernen mit Familie M.

Herr und Frau M. wohnen in Niederbayern. Sie haben eine 5-jährige Tochter, Saskia, die an Mukoviszidose erkrankt ist. Saskias Bruder, Michael, ist 8 Jahre und besucht die dritte Klasse einer Grundschule. Als wir Saskia und ihre Familie kennenlernen, befindet sie sich gerade in der Klinik, wo sie medizinisch umfassend und intensiv behandelt wird.

Hilfe durch die Sozialmedizinische Nachsorge

In 14 Tagen steht Saskias Entlassung aus der Klinik an und es ist klar, dass die Familie in Zukunft stark bei der Krankheitsbewältigung gefordert sein wird. Um die Eltern im Übergang aus der Klinik nach Hause zu unterstützen, verordnet der behandelnde Arzt eine Sozialmedizinische Nachsorge. Hierzu nimmt er Kontakt zu Elfe Binder vom Bunten Kreis Landshut (Träger Ambulantes Kinderhospiz München) auf. Sie ist Nachsorgekinderkrankenschwester und wird Familie M. die kommenden 3 Monate mit insgesamt 20 Stunden unterstützen. Das Erstgespräch zwischen Elfe Binder, der Familie und dem Klinikpersonal findet noch während des Klinikaufenthalts von Saskia statt. Hier werden der komplexe Interventionsbedarf sowie die erforderliche Koordination des einzuleitenden Unterstützungs- und Hilfebedarfs besprochen und die nächsten Schritte in den kommenden Wochen festgelegt.

Elfe Binder
Elfe Binder

Beratung durch die Fachstelle für pflegende Angehörige

In der erfolgten Analyse des Versorgungsbedarfs wird schnell klar, dass sich die Familie eine sozialrechtliche Beratung wünscht. Elfe Binder informiert daraufhin ihre Kollegin Claudia Sterr. Sie arbeitet im Fachbereich Fachstelle für pflegende Angehörige und wird bei Familie M. je nach Bedarf z. B. eine Pflegeerhebung durchführen, ggf. zu der Beantragung eines Pflegegrads beraten, die Familie bei einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) begleiten oder beim Antrag auf einen Schwerbehindertengrad für Saskia unterstützen. Somit sind nun bereits zwei Fachbereiche des Zentrum Niederbayern bei Familie M. tätig, jeder mit seinem eigenen Aufgabenbereich.

Claudia Sterr
Claudia Sterr

Koordination durch den Familienbegleitenden Kinderhospizdienst

Bei einem Hausbesuch wird deutlich, dass Familie M. gerne Unterstützung für Saskias Bruder, Michael, hätte. Dies ist der Zeitpunkt, ab dem Sylvia Khan aus dem Fachbereich Familienbegleitender Kinderhospizdienst ins Boot geholt wird. Sie wird ab sofort die Koordination der verschiedenen Fachbereiche übernehmen und behält den Überblick über die eingesetzten Fachbereiche. Als sie bei Familie M. zum Erstgespräch vor Ort ist, wird der Bedarf an weiteren Hilfen auf unterschiedlichen Ebenen deutlich. Da ist zum einen die Situation rund um Saskias Bruder, Michael: Herr und Frau M. berichten, sie seien durch immer wiederkehrende Kontrollbesuche in der Klinik mit Saskia stark eingebunden, so dass weniger Zeit für Michael bleibe und er zum Bedauern seiner Eltern leider oft zurückstecken müsse. Auch gibt es im Nahbereich keine Verwandten, die die Eltern unterstützen könnten. Herr M. hat zudem große Angst um Saskia und fühlt sich aufgrund der Situation emotional sehr erschöpft.  Es gibt Tage, an denen beide Elternteile das Gefühl haben, mit der Gesamtsituation überfordert zu sein und in eine plötzliche Krise (zu) geraten, z. B. wenn Kontrolltermine anstehen und die Angst vor schlechten Diagnosen steigt.

Sylvia Khan
Sylvia Khan

Angebot von RUF24 für Krisensituationen

Sylvia Khan vereinbart zunächst regelmäßig stattfindende Gespräche mit den Eltern, die von beiden als sehr entlastend empfunden werden. Um den Eltern unmittelbare Unterstützung bei akuten Krisen anzubieten, erhalten sie die Telefonnummer des Krisendienst RUF24, der Herr und Frau M. rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr zu Verfügung steht. Der Krisendienst RUF24 wird von Haupt- und Ehrenamtlichen der Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München bedient und bietet sowohl eine telefonische Krisenintervention als auch eine Betreuung vor Ort.

Ehrenamtliche Begleitung des Geschwisterkindes

Bezüglich Michael bietet Sylvia Khan an, einen ehrenamtlichen Familienbegleiter einzusetzen. Dazu hält sie Rücksprache mit Katharina Deeg, die die ehrenamtlichen FamilienbegleiterInnen im Zentrum Niederbayern schult, sie gut kennt und daher weiß, wer am besten zu Michael passen könnte. Und so kommt es, dass Michael ab sofort Besuch von Familienbegleiter Franz bekommt. Franz ist 55 Jahre, arbeitet ehrenamtlich für die Stiftung und ist selbst Papa von zwei jugendlichen Kindern. Zukünftig besucht er Michael 1x pro Woche für ca. vier Stunden und unternimmt mit ihm die verschiedensten Dinge: Auf den Spielplatz gehen, Eis essen, Fußballspielen oder einfach mal nur ratschen und Michael zuhören, was ihn gerade beschäftigt. Michael genießt die wöchentliche Exklusivzeit mit Franz. Franz wird die kommenden 2 Jahre für Michael zu einer wichtigen Stütze. Auch Herr und Frau M. erleben die Unterstützung als sehr entlastend.

Katharina Deeg
Katharina Deeg

Nachsorgeangebote zum Austausch mit Gleichgesinnten

Im weiteren Verlauf entscheidet sich Familie M., die Angebote der Teilhabeorientierten Nachsorge anzunehmen. Hier plant und organisiert Stefanie Damböck Angebote für Mütter, Väter oder Geschwisterkinder. Sie erhalten regelmäßig Infos zu kostenfreien Angeboten und können dann frei entscheiden, woran sie teilnehmen möchten. Hintergedanke der Teilhabeorientierten Nachsorge ist es, betroffene Familien im Rahmen von Freizeitpädagogischen Angeboten (z. B. Ausflüge, Besichtigungen, Konzerte, Veranstaltungen wie Armbrust- oder Bogenschießen, Bowlingabende, Aromatherapie, Ferienprogramm) zusammenzubringen. Neben einer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben findet automatisch ein Austausch unter betroffenen Familien statt. Hier trifft man auf Familien mit ähnlichem Schicksal und muss sich und seine Situation nicht erklären. Gleichzeitig dient die Zeit dazu, ein paar unbeschwerte Stunden zu genießen und Kraft zu tanken, um im Alltag wieder ein Stück gestärkter zu sein.

Stefanie Damböck
Stefanie Damböck

Unterstützung durch Therapeutische Kurzintervention

Um Herrn M. hinsichtlich seiner Ängste zu unterstützen, erhält er das Angebot der Therapeutischen Kurzinterventionen. Dafür steht ein Team aus PsychologInnen und TherapeutInnen zur Verfügung. Einer davon ist Klaus Darlau. Herr M. ist zunächst skeptisch gegenüber dem Angebot, weil er bislang wenig mit Therapeuten oder wie seine Arbeitskollegen sagen, „Psychokram“, zu tun hatte. Nach einer Überlegungsphase entscheidet er sich dennoch für ein Erst- und in der Folge für weitere Gespräche. Es gelingt ihm, eigene Themen in einem geschützten Rahmen zu besprechen und daran zu arbeiten.

Klaus Darlau
Klaus Darlau

Unsere Fachbereiche arbeiten Hand in Hand

Die Geschichte rund um Familie M. ist frei erfunden, aber sie hätte genauso im Zentrum Niederbayern oder einem anderen Zentrum der Stiftung AKM stattfinden können. Denn der Verlauf und die Zusammenarbeit der verschiedenen Fachbereiche ist typisch für betroffene Familien, die wir betreuen.

Unser Blick gilt immer dem gesamten Familiensystem (Vater, Mutter, betroffenes Kind, Geschwisterkinder) und nicht ausschließlich dem erkrankten Kind. Es geht darum, betroffenen Familien Entlastung für den Alltag anzubieten und das Leben zu gestalten. Prinzipiell steht jeder Fachbereich unserer Stiftung für betroffene Familien kostenfrei zur Verfügung. Allerdings sehen wir die Familien als Experten ihrer selbst. Daher lassen wir ihnen auch die freie Wahl, ob, was, wann und wie lange sie etwas aus unserer „Angebotspalette“ in Anspruch nehmen möchten.

 

Anmerkung: Aufgrund der Corona-Pandemie ergeben sich für uns in einigen Fachbereichen derzeit Einschränkungen bei der persönlichen Unterstützung unserer Familien. Gruppen- und Vor-Ort-Angebote der Teilhabe finden derzeit nur online statt, die Begleitung der Familien durch Ehrenamtliche ist je nach Krankheitsbild der Kinder ebenfalls nur begrenzt vor Ort möglich. Bei notwendigen persönlichen Kontakten wird immer entsprechende Schutzkleidung getragen und vorab ein Corona-Schnelltest gemacht, um eine Ansteckung mit COVID-19 für alle zu verhindern.

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