Warum häusliche Pflege viele Belastungen birgt
Wer Angehörige pflegt und gleichzeitig einen Beruf ausübt, ist doppelt belastet. Wenn sich dann noch der Arbeitgeber quer stellt, wird die Situation der Pflegenden oft unerträglich. Was tun?
Zeit- und Geldsorgen lasten neben der Sorge um das erkrankte Kind schwer
Mit einem behinderten Kind Beruf und Familie zu vereinbaren, ist beinah unmöglich. „Das ganze Leben ändert sich auf einen Schlag“, erzählt die alleinerziehende Maria Brenner*. Ihre Tochter Kira leidet an Muskeldystrophie. Die ersten Symptome zeigten sich im Alter von 3,5 Jahren. Kiras Bein- und Beckenmuskulatur wurde immer schwächer, Aufstehen und Gehen immer schwieriger. Heute ist Kira, die mittlerweile 12 Jahre ist, an den Rollstuhl gefesselt.
Bisher haben die Eltern von Maria Brenner sie bei der Pflege des Kindes unterstützt, „doch sie werden immer älter, sind jetzt ebenfalls krank und brauchen selbst Hilfe“ erzählt die Mutter, die bisher als Lektorin in einem Verlag arbeitete. „Ich weiß nun nicht, wie es weitergehen soll. Mal fiel eine Unterrichtsstunde bei Kira aus. Mal hatte sie Fieber, mal war in meinem Job mehr Zeit als geplant nötig. Und immer denkst du ‚Wer soll das Kind betreuen?‘. Ich kann meiner Tochter nicht sagen, bleib allein zu Hause, ich bin in zwei Stunden zurück. Das ist anders als bei gesunden Kindern.“ Zu der Sorge um die Tochter kommen auch finanzielle Sorgen.
Häusliche Pflege erkrankter Kinder ist keine Ausnahme
So wie Kiras Mutter geht es vielen Angehörigen mit einem pflegebedürftigen Familienmitglied. Insbesondere pflegebedürftige Kinder werden fast ausnahmslos zu Hause versorgt, in der Regel durch die Mütter. Da die Pflege der Kinder mit der eigenen Erwerbstätigkeit vereinbart werden muss, befinden sich die Eltern in einer ganz besonderen Belastungssituation.
Für die Mütter bzw. die Eltern ist es wichtig, die Leistungen zu kennen die ihnen zustehen. Neben den Leistungen der Pflegeversicherung stehen den Familien zusätzliche Betreuungsleistungen und Verhinderungspflege zu. Letztere werden aber aus Unkenntnis häufig nicht in Anspruch genommen.
Auch der Arbeitgeber ist mittelbar verpflichtet, Pflegende zu unterstützen. Um eine Möglichkeit zu geben, alle notwendigen Angelegenheiten durchführen bzw. organisieren zu können, hat der Gesetzgeber Möglichkeiten für berufliche Auszeiten in Form von kurzzeitiger Arbeitsverhinderung, Pflegezeit und Familienpflegezeit geschaffen. Prinzipiell gibt es vier Arten von Befreiungen. Dazu zählen die kurzzeitige Arbeitsverhinderung, Pflegezeit, Familienpflegezeit und auch die Begleitung in der letzten Lebensphase.
Berufliche Auszeiten helfen …
Kiras Mutter hat sich zum Beispiel dazu entschieden, für die kommenden 24 Monate die Familienpflegezeit nach dem Familienpflegezeitgesetz zu nehmen. Um Angehörigen pflegebedürftiger Kinder eine Betreuung in häuslicher und außerhäuslicher Umgebung zu ermöglichen, hat die Familie Anspruch auf vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung, entsprechend den Regelungen der Pflegezeit und der Familienpflegezeit. Das heißt, eine vollständige Freistellung kann bis zu 6 Monaten erfolgen. Eine teilweise Freistellung kann bis zu 24 Monate in Anspruch genommen werden. Die Gesamtdauer aller Freistellungen – auch in Kombination mit Pflegezeit oder Familienpflegezeit – darf aber 24 Monate nicht überschreiten. Der Anspruch für eine Freistellung bis zu 6 Monaten besteht bei Arbeitgebern mit mehr als 15 Beschäftigten. Der Anspruch auf eine längere Freistellung besteht nur bei Arbeitgebern mit mehr als 25 Beschäftigten. Finanziell werden sie sich einschränken müssen. Wie es danach weiter gehen soll? „Wir müssen es auf uns zukommen lassen, was anderes bleibt uns nicht übrig“, antwortet Maria Brenner* auf diese Frage.
… doch Familienpflegezeit und weitere Entlastungsmaßnahmen sind begrenzt
Und genau hier zeigt sich, dass die Begrenzung auf zwei Jahre Familienpflegezeit keinesfalls ausreicht, da die durchschnittliche Pflegezeit bei sechs bis acht Jahren und bei Kindern oft weit darüber liegt. Oft benötigt die zu pflegende Person aufgrund des Verlaufs dann sogar mehr Pflege als zu Beginn der Familienpflegezeit.
Mit anderen Worten: Die Familienpflegezeit in ihrer jetzigen Form ist nur ein kleiner Tropfen auf einem heißen Stein. Das geschrumpfte Einkommen reicht den Familien oft nicht, um die Lebenshaltungskosten zu bestreiten, denn die laufenden Kosten reduzieren sich ja nicht ebenfalls automatisch. Viele pflegenden Angehörige können sich die Pflegezeit somit finanziell überhaupt nicht leisten.
Sie haben Fragen zu den genannten Möglichkeiten für eine gesetzlich geregelte Berufsauszeit und/oder sind selbst pflegende*r Angehörige*r und suchen nach Unterstützung?
Gerne beraten wir Sie hierzu mit unserer Angehörigenberatung.